Autor Thema: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung  (Gelesen 6136 mal)

Offline Opa Steve

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Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« am: November 20, 2007, 06:21:10 Nachmittag »
Hallo!

Unsere nette Regierung wünscht den gläsernen Bürger. 1984 haben wir noch vor 20 Jahren erleichtert als utopischen Roman wahrgenommen. Aber unser Chef-Paranoiker Schäuble boxt gerade im Sog des allgemeinen Terror-Wahns mit Unterstützung der meisten Parlamentarier die größte Einschränkung der Bürgerrechte auf informelle Selbstbestimmung durch. Die "Vorratsdatenspeicherung" soll jeweils für 6 Monate sämtliche genutzten Kommunikationsverbindungen aufzeichnen.

Das ist ungefähr so, als würde man beim Staat anmelden müssen, wen man abends auf ein Bier trifft, mit wem man gerade einen eBay-Handel durchzieht, und wem man gerade einen Liebesbrief schrieb.

Die Vorratsdatenspeicherung ist wohl in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg die größte Kontrollmaßnahme, die die Kommunikation der deutschen Bürger je flächendeckend erfasst hat. Sie stellt die Bürger unter Generalverdacht. Wer zur falschen Zeit die falsche Kombination an Weblinks, Auslandsgesprächen oder Maildomains nutzte, kann schon unschuldig in die Rasterfahndung fallen. Und das Vorhandensein dieser gigantischen (und dann legalisierten) Datenmenge dürfte rasch zu weiteren Begehrlichkeiten führen, genau wie Schäuble schon laut darüber nachgedacht hat, die Mautsysteme für seine Zwecke zu missbrauchen.

Dieser Eingriff in Grundrechte geht uns alle an, und ich bitte alle Bleeding-Freunde, sich an der Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung zu beteiligen (Menü: "Handeln/Verfassungsbeschwerde"). Es kostet euch nur 5 Minuten und ein Briefporto. Diese Verfassungsbeschwerde braucht mehr Gewicht durch viele Unterstützer, die dem RA Starostik ebenfalls die schriftliche Vollmacht vorlegen, die Beschwerde auch in eurem Namen zu führen. Eine enorm lange Liste wird den öffentlichen Druck erhöhen und dem Sachverhalt mehr Presse einräumen.

Bitte verbreitet diese Informationen im kommunikationsinteressierten Bekanntenkreis, in Foren oder im familiären Umfeld.

Opa

Offline Lestat

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #1 am: November 20, 2007, 07:41:54 Nachmittag »
Hm, also ich denke, dass es kritischere Sachen gibt, wie die Verbindungsdatenspeicherung - bspw. die online-Durchsuchung. Oder eben der Gebrauch der Mautstationen. 
Sicher ist es nicht ganz rechtens, was da passiert, und es gibt Dinge, die ich wichtiger und besser fände.
Da wäre unter anderem Die Erlaubnis, auch den codierenden Bereich der DNA benutzen zu dürfen, wenn es um Verbrechensermittlungen geht. Oder einfach nur, dass, anstatt immer neue Gesetze zu erlassen, die alten mal voll ausgeschöpft werden.

Ich schließe mich an, dass das ein Gesetz ist, was nicht wirklich sein muss imo. Aber letzten Endes ist es mir noch recht egal, was da gespeichert wird, solange es nicht um Inhalte geht. Der Hase müsste, wenn ich es richtig sehe ja nicht so laufen, dass man bei jedem Scheiß die Daten anzapfen darf. Sondern wenn ich das richtig mitbekommen habe, dann geht es darum, dass bei einem hinreichenden Tatverdacht, der Richter anordnen kann, dass man sich die Verbindungsdaten anschaut. Die Maßregeln dürften von denen der Telekomm. Überwachung nicht arg abweichen - und das sind sie relativ eng. Und auch hier scheitert es eher an der Ausfühung denn am Gesetz - so muss man nach §101 StPO benachrichtigt werden, wenn man überwacht wurde - in der Praxis passiert das bei zu Unrecht abgehörten nach Aussage unserer Dozentin jedoch normalerweise nicht. nach dem Motto: was der nicht weiß, macht ihn nicht heiß....:(

Offline Opa Steve

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #2 am: November 20, 2007, 09:02:13 Nachmittag »
Hm, also ich denke, dass es kritischere Sachen gibt, wie die Verbindungsdatenspeicherung - bspw. die online-Durchsuchung. Oder eben der Gebrauch der Mautstationen.

Im Ernst jetzt? Die Online-Durchsuchung ist ja schon übel genug (den entsprechenden Paragrafen, der verletzt wird, hast du ja schon zitiert), aber da gibt es wenigstens einen Fitzel Anfangsverdacht. Bitte nenne mir die letzten 100 Mailempfänger mit denen du in Kontakt warst. Inhalte will ich gar nicht wissen. Ich glaube, du würdest mir eher 'nen Vogel zeigen  :biggrin:

Es geht hier ums Prinzip. Der Staat dreht langsam aber sicher die Beweislast um. Wenn du durch solche Datenmengen unschuldig ins Raster fällst, dann bist du erst einmal verdächtig - und zwar nur aufgrund eines simplen SQL-Statements. Und es liegt an dir, wie du aus der Scheiße wieder rauskommst. Und wenn Schäuble diese Daten erst einmal hat, dann wird er weitermachen. Die verfassungsrechtliche Schwelle ist weit überschritten, und wehe, es ergibt sich hieraus ein Gewöhnungseffekt. Zuerst ist es Terrorismus, dann bei Mord, später bei Brandstiftung, Diebstahl, und irgendwann bei simplem Blechschaden - nur damit das System Erfolge vorweisen kann. Wart's ab, wir gewöhnen uns noch daran, dass erst mal die Systeme befragt werden. Und es wird kaum einem Bürger gelingen, ein paar Jahre zu verbringen, ohne irgendwie mit irgendeiner Straftat in Zusammenhang gebracht zu werden.

Glaubst du, auch nur ein professioneller Terrorist lässt sich durch so 'nen Überwachungskäse abschrecken? Was hat Schäuble denn? Paar Videos aus afghanischen Höhlen und paar geistig Verwirrte, die hier Bomben basteln. Aber pro Jahr sterben doppelt so viele Menschen im Straßenverkehr als damals im WTC. Schaffen wir doch die Autos ab, wenn wir Sicherheit wollen  :icon_confused:

Also ich will ein Metal-Board nicht unnötig politisch machen. Jeder kann ja frei entscheiden, was er tut, und was nicht. Aber ich sah mich gezwungen, deine Aussagen nochmal in die richtigen Relationen zu setzen  :icon_wink: Ansonsten hoffe ich, dass ihr noch ordentliche Ermittlungsarbeit lernt, damit das Gießkannenprinzip nicht nötig wird  :coolgr:

Gruß,
Opa
« Letzte Änderung: November 21, 2007, 07:23:10 Vormittag von Opa Steve »

Offline Lestat

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #3 am: November 20, 2007, 11:57:00 Nachmittag »
Hey, ich liebe politische Diskussionen ;), nur sollte ich nu ins Bett...gehe aber die Tage nochmal auf deinen Post ein.

Edith in Form von Antwort ;):
Wie ich schon sagte: die Telefonanbieter müsen zwar speichern, ich gehe aber davon aus, dass auf die Daten nur zugegriffen werden dürfen, wenn ein entsprechender Entschluss vorliegt. I.ü. - wenn ich jetzt nicht mein Postfach druchsuchen müsste, hätte ich kein problem damit, dir alles offen zulegen :D.

Also im Prinzip stimme ich mit dir überein. Und ich denke auch, dass Schäuble weit über das Ziel hinaus geschossen ist. Zudem wird dauernd Angst geschürt, die ich für übertrieben halte. Wie ich schon sagte: Ich finde das Gesetz auch kritisch, obgleich ich auch den positiven Effekt zu spüren bekomme - meinem Verein bringt es Vorteile.
Dass jeder Bürger dauerüberwacht wird, halte ich für unwahrscheinlich. Ohne die rechtliche Seite zu betrachten: Dazu fehlt schon das Personal.du musst dir einfach ausmalen, was für Datenmengen da zusammenkommen. Es wird das passieren, was sowieso schon passiert: auf das, was gespeichert ist, wird im Zweifelsfalle zurückgegriffen. Die Anbieter speichern die Daten ja schon im beschränkten und höchst unterschiedlichen Maße - E-Plus nur kurz, die T-Kom polizeifreundlich recht lang. Dass eine Art "permanente Rasterfahndung" mit Suchkriterium nach merkwürdigen kontakten veranlasst wird, wird nicht kommen. Das ändert auch die Ergänzung der Daten um den standort nicht.

Um es aber am Ende nochmal zu betonen: Ich finde das Gesetz nicht toll und hätte Schäuble auch lieber los. Nur bewegt es micht nicht zu einer Verfassungsklage. Wenn diese dennoch durchkommt - umso besser.
« Letzte Änderung: November 21, 2007, 01:34:43 Nachmittag von Lestat »

Offline Odin

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #4 am: November 24, 2007, 06:23:41 Nachmittag »
Ich möchte nur auf den Punkt ein gehen, dass du, Lestat, dich daran orientierst, was als Verwendung geplant ist: Wollen wir uns darauf verlassen, was Schäuble heute sagt? Siehe Maut, die Daten waren auch für einen bestimmten Zweck vorgesehen - aber wo sie schon mal da sind...

Daten werden erhoben und gespeichert. Es gibt die Datenberge also irgendwo. Sollen wir uns darauf verlassen, dass die da sicher sind, wo sie sind? Vielleicht führt es "nur" zu der einen oder anderen Erpressung durch die Leute, die Zugriff darauf haben oder sich verschaffen, aber vielleicht geschieht auch mehr.

Ziemlich schwarz gemalt, zugegeben, vielleicht etwas überzeichnet, was ich mir dabei alles vorstellen kann, aber die Tendenz ist einfach erkennbar, finde ich. Und die Gefahr besteht.
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Inspiration, Madness, Anger
The Wanderer among mortals
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JoS

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #5 am: Januar 15, 2008, 02:00:42 Nachmittag »
Dazu muss man nur Herrn Franklin zitieren, damit ist alles gesagt:

Wer die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgibt wird am Ende beides verlieren.

Offline Lestat

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #6 am: Januar 15, 2008, 03:50:17 Nachmittag »
Dem Satz kann ich sogar beipflichten ;).

Öhm, ganz interessant, weil verwand mit der Thematik:
http://www.sachsen-anhalt.de/LPSA/index.php?id=20302

JoS

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Re: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung
« Antwort #7 am: Januar 16, 2008, 12:52:47 Nachmittag »
Das eine gewisse Menge von Leuten nicht informiert wurde, dass sie überwacht sind erinnert mich grad an die Erzählung eines Bekannten (müsste aus Indien abstammen):

"Ich kam dann sturzbesoffen morgens nach Hause und fiel grad aufs Bett, als meine Schwester mir nen offiziellen Brief in die Hand drückte. Hab den dann direkt aufgemacht und war hellwach, als ich gelsen habe, dass ich jetzt nicht mehr in der Rasterfahndung bin. Ich wusste nicht mal, dass ich da drin bin!"